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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Sennfeld

"Jugend braucht Raum" und "Erinnern an Martin Spitzner"

 

Diese Themen standen am  22. März im Mittelpunkt des kommunalpolitischen Frühschoppens, zu welchem der Ortsverband Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die Aktiven BürgerInnen für Sennfeld eingeladen hatten.


Rita Weber, Vorsitzende des grünen Ortsverbandes, begrüßte die Gäste, die angekündigten Redner und auch Gerd Spitzner, der mit seinen beiden Söhnen Harald und Thomas Spitzner zur Veranstaltung gekommen war und übergab dann gleich das Wort an Anna Krause.

Mit 16 Jahren jüngstes Mitglied des GRÜNEN Ortsverbandes stellte Anna Krause vor, warum sie sich gemeinsam mit anderen Jugendlichen in Sennfeld für einen selbstverwalteten Jugendraum einsetzt. „Jugend braucht Raum, den sie nach eigenen Vorstellungen gestalten und in Eigenverantwortung nutzen kann“, lautete die zentrale Botschaft der Sennfelder Jugendlichen, die sie stellvertretend für rund 20 Sennfelder Jugendliche im Alter von 15 – 18 Jahre vortrug.

Bis circa Oktober 2014 habe die evangelische Kirche den Jugendlichen den alten evangelischen Gemeindesaal in Sennfeld zur Verfügung gestellt, bis ein angeblicher Wasserschaden eine weitere Raumnutzung verhindert habe. „Wir konnten dort ohne Aufsicht durch Erwachsene die Zeit verbringen, auch mal feiern, etc. Nie hat es Beschwerden oder Probleme gegeben“, so Krause. Gemeinsam hätten die Jugendlichen schöne Abende verbracht, die im Gegensatz zum Discobesuch, Kinobesuch etc. auch noch sehr preisgünstig für die Jugendlichen gewesen wären und ihnen eine tolle Möglichkeit geboten hätten, mit vielen Jugendlichen in Kontakt zu kommen. So seien auch Kontakte zwischen Jugendlichen aus den neuen Wohngebieten Flachsleite und Rempertshag und Jugendlichen aus dem alten Gemeindegebiet geknüpft worden und die Gemeinde auf diese Weise etwas mehr zusammengewachsen. Anna Krause berichtete, dass sie und zwei andere Jugendliche bereits erste Gespräche mit Emil Heinemann sowie Sabrina Wellisch geführt hätten. Erfreulich sei gewesen, dass beide spontan ihre Unterstützung für das Anliegen der Jugendlichen zugesagt hätten.

„Die Gemeinde sollte etwas für die Jugend tun, denn die Jugend ist die Zukunft der Gemeinde“, Mit diesen Worten endete Anna Krause ihre sehr engagiert und frei vorgetragenen Ausführungen.

Als Sprecherin des Ortsverbandes zeigte sich Rita Weber erfreut über die Eigeninitiative der Jugendlichen. „Wer versucht,  Jugendliche zu etwas zu motivieren, was sich Erwachsene ausdenken, wird bei Jugendlichen nicht auf Begeisterung stoßen“, erklärte Weber und fügte hinzu: „Wer sich dagegen für die Motive und Motivationen von Jugendlichen interessiert und wer versteht, was Jugendliche wünschen und was sie auch selbst zu tun bereit sind, wird eher auf mitwirkungsbereite Jugendliche stoßen.“ 

Jugendliche wollten nicht nur mitmachen, sondern auch mit-wirken, etwas be-wirken und erleben, dass sie tatsächlich etwas beeinflussen und gestalten könnten. Jugendlichen seien daran interessiert,  Verantwortung zu übernehmen. Jungen Menschen sei es wichtig, dass Erwachsene ihnen vertrauen und ihnen Handlungsräume eröffnen. Die Ortsverbandsvorsitzende machte abschließend deutlich, dass durch echte Partizipation von Kindern und Jugendlichen auch der Grundstein dafür gelegt werden könne, dass junge Menschen bereit und fähig seien, als Erwachsene gesellschaftliche und kommunalpolitische Verantwortung mit zu tragen und das Leben in einer Gemeinde mitzugestalten.

Das Leben in Sennfeld am Ende des zweiten Weltkriegs und das Wirken von Martin Spitzner, 1. Bürgermeister nach 1945, standen im Mittelpunkt des anschließenden Referats von  Douglas Dashwood-Howard. Der gebürtige Engländer, der seit 1970 in Sennfeld lebt, erzählte von seinen Archiv- und Literatur-Recherchen und ließ das vergangene Zeitgeschehen und die Person Martin Spitzner durch seine Schilderungen für die Zuhörer wieder lebendig werden.

Zeit seines Lebens sei Martin Spitzner ein aufrechter Sozialdemokrat gewesen. Aufgrund seiner oppositionellen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten nach dem Einmarsch der Amerikaner am 12. April 1945 sei er von diesen gebeten worden, kommissarisch das Amt des ersten Bürgermeisters zu übernehmen. Spitzner habe zunächst um Bedenkzeit gebeten, weswegen der NSDAP-Bürgermeister Julius Drescher noch sechs Tage in Amt verblieben sei. Während dieser Zeit habe Drescher zusammen mit einigen Führungsmitgliedern der NSDAP belastende Dokumente aus dem Rathaus schaffen und verbrennen können. Mit diesem Fakt erklärt sich der Referent auch den lückenhaften Bestand von Material aus der NSDAP-Zeit im Gemeindearchiv Sennfeld.

Am 18.4. habe Spitzner dann sein Amt angetreten. Den Übergang von der nationalsozialistischen ausgerichteten Ortspolitik hin zu einer demokratischen Gemeindeverwaltung zu gestalteten sei alles andere als leicht gewesen. Spitzner habe viele Anordnungen der Amerikaner umsetzen müssen, die bei der Bevölkerung für Unmut gesorgt hätten, so z.B. die Entwaffnung der Bürger oder auch die Verhängung der nächtlichen Ausgehsperre. Oft sei der kommissarische Bürgermeister in der Folge auch persönlichen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Der Nachkriegsalltag im Ort sei mit vielen Problemen verbunden gewesen. Plünderungen, Vergeltungsmaßnahmen polnischer Fremdarbeiter, massive Wohnungsnot, die Unterbringung sehr vieler ehemaligen Kriegsgefangene, die Beseitigung gefährlichen Kriegsmaterials, die Beschaffung lebensnotwendiger Güter für die Bevölkerung.   Spitzner habe sein  Amt angesichts der vielfältigen Herausforderungen mit viel Umsicht, Fingerspitzengefühl und Engagement ausgeübt, berichtete Dashwood-Howard. Auch die Zusammenstellung eines Gemeinderates und die Vorbereitung und Organisation der ersten demokratischen wahlen sei Aufgabe von Spitzner gewesen. Die Gemeindewahl habe bei einer Wahlbeteiligung von 90 % am 27. Januar 1946 stattgefunden. „Von den Kandidaten für das Bürgermeisteramt fiel auf Spitzner ein überwältigendes Ergebnis mit 945 Stimmen; der zweitplatzierte Kandidat Adolf Schleier bekam lediglich 152 Stimmen. Daraus lässt sich gut erkennen, welches Ansehen Spitzner bei den Sennfeldern in seiner kurzen bisherigen Amtszeit gewinnen konnte“, erklärte der Referent.  

Unmittelbar nach der Wahl habe dann jedoch ein Unbekannter bei der Militärregierung Anzeige gegen Spitzner erstattet und ihn beschuldigt, ein "Nazi-Aktivist" gewesen zu sein. Daraufhin habe bereits am 7. Februar die Militärregierung die vorläufige Amtsenthebung von Spitzner erklärt, um die Vorwürfe zu untersuchen. Obwohl die Amtsenthebung offensichtlich nie formell durchgesetzt worden sei, sei die Ungewissheit darüber für Spitzner eine stetige Belastung gewesen, die letztlich dann dazu geführt habe, dass Spitzner am 16. Juni 1946 seinen Rücktritt erklärt habe.

Herr Dashwood-Howard beendete seine Ausführungen mit mit der Feststellung: „Ich kann mir als Nicht-Sennfelder, der die Amtszeit von Spitzner ohnehin nicht erlebt hat, kein Urteil über sein Wirken als Bürgermeister erlauben. Ich kann nur feststellen, dass anhand der Dokumentation, die mir für meine Recherchen zur Verfügung stand, Martin Spitzner offensichtlich eine hervorragende Arbeit in einer äußerst schwierigen Zeit geleistet hat.“

Am Ende des Referats von Dashwood-Howard war die Betroffenheiten der Zuhörer spürbar. Rita Weber und Gerd Spitzner bedankten sich beim Referenten für dessen intensive Recherchen und beeindruckenden Schilderungen. Gerd Spitzner ergänzte die Ausführungen durch einige persönliche Mitteilungen über seinen Vater, die noch einmal deutlich machten, wie belastend die Zeit der Amtsführung für Martin Spitzner und dessen Familie gewesen war.

Den kommunalpolitischen Frühschoppen beendete Rita Weber mit dem Hinweis, dass vielen Menschen, die Wichtiges für Sennfeld geleistet hätten, Namen von Straßen oder Plätzen gewidmet worden seien. Um auch die Erinnerung an Martin Spitzner in ähnlicher Weise wachzuhalten, sei es den GRÜNEN und Aktiven BürgerInnen in Sennfeld ein Anliegen, im Rathaus eine entsprechende Anregung einbringen.

Ein kurzer Spaziergang zum Geburtshaus von Martin Spitzner in der Schweizerstraße erwies sich im Anschluss dann noch als schöner Ausklang einer gelungenen Veranstaltung.

 

Martin Spitzner. Foto: Gemeinde Sennfeld

 

 

Fotos der Veranstaltung: Helga Jurisch




v.links nach rechts:
Thomas Spitzner, Gerd Spitzner, Douglas Dashwood-Howard, Harald Spitzner
 


 

von links nach rechts:
Rita Weber, Gerd Spitzner, Douglas Dashwood-Howard, Anna Krause

 

 

 

 

 



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