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Warum wir Grüne die Streckenstilllegung ablehnen und uns für eine Revitalisierung einsetzen

Unsere drei grünen Gemeinderäte Gerold Schömig, Helga Jurisch und Sebastian Tietze sprachen sich in der Gemeinderatssitzung vom 11.9.18 dagegen aus, dass sich die Gemeinde für eine entgültige Stilllegung der Bahnstrecke Gerolzhofen-Schweinfurt stark macht. Leider wurde ein entsprechender Antrag von allen anderen im Ratsgremium, einschließlich dem Bürgermeister, abgelehnt.

Nachfolgend wollen wir den Hintergrund unseres Anliegens bezogen auf die o.g. Bahnstrecke darstellen.

2016 war vom Förderverein Steigerwald-Express eine wissenschaftliche Potenzialanalyse in Auftrag gegeben worden. Unter der Leitung von Diplom-Geograf Konrad Schliephake, Lehrbeauftragter am Institut für Geografie und Geologie der Universität Würzburg, wurde die Studie durchgeführt bzw. die Nachfrage nach Personenverkehrsleistungen bei einem Regelbetrieb der Bahnstrecke Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen untersucht. Die Potenzialanalyse ermittelte für die rund 49 km lange Bahnlinie ingesamt 1229 Reisendenkilometer pro Kilometer Schienenstrecke. Bei Reisendenkilometern handelt es sich um einen Bewertungsmaßstab, bei dem die Zahl der täglichen Fahrgäste mit der jeweils zurückgelegten Distanz im Verhältnis zur Gesamtlänge der Strecke gewichtet wird.

Das Bayerische Wirtschaftsministerium hält eine Wiederinbetriebnahme der Strecke bereits ab 1000 Reisendenkilometern wirtschaftlich für vertretbar. Die Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), die den gesamten Regional- und S-Bahnverkehr in Bayern organisiert, überprüfte das o.g. Gutachten und kam zu dem Schluss, dass die dabei angewandte Methodik nachvollziehbar und die Ergebnisse belastbar und plausibel sind. Die BEG räumt der Reaktivierung dieser Strecke gute Chancen auf Verwirklichung ein, Voraussetzung wäre jedoch, dass die beteiligten Kommunen (Landkreise oder Gemeinden) einen entsprechenden Prüfungsauftrag an die BEG stellen.

Auf dem Hintergrund der Ergebnisse der og. Potenzialanalyse sprach sich der Bezirksausschuss Schweinfurt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, einstimmig für eine Ertüchtigung der bestehenden Strecke und eine Revitalisierung der Linie Schweinfurt-Gerolzhofen für den Personenverkehr aus. Aus Sicht der IHK kann eine Wiederbelebung der Strecke mit dazu beitragen, dass die Regiopolregion Mainfranken räumlich besser miteinander vernetzt und das regionale Bahnangebot unter anderem auch im Hinblick auf den Ausbildungspendlerverkehr in Richtung Schweinfurt optimiert bzw. wettbewerbsfähiger gemacht werden kann.

Inzwischen hat auch der Landkreis Schweinfurt ein ergänzendes Gutachten zur Bahnlinie erstellen lassen, welches noch nicht offiziell vorliegt, sondern erst im November im Rahmen einer Veranstaltung von Landrat Florian Töpper vorgestellt werden soll. Aktuell arbeitet der Landkreis  – auch mit Bürgerbeteiligung - an der Erstellung eines neuen ÖPNV- bzw. Mobililtätskonzeptes. Eine Wiederbelebung der Bahnlinie, die 1990 wegen Schwertransporten der US-Army saniert worden war und aktuell noch auf Sennfelder Gemarkung von Alba-Rohstoffe genutzt wird, könnte aus unserer Sicht in dieses Mobiliätskonzept und den angestrebten Verkehrsverbund sinnvoll integriert werden.

Der Betrieb der Strecke, wie auch die Investitionen in die notwendige Infrastruktur könnten sich laut Vertretern des Fördervereins Steigerwald-Express „erwirtschaften aus Zahlungen der staatlichen Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) an das Unternehmen, das die Fahrten auf der Strecke durchführt. Diese muss an das Infrastrukturbetriebsunternehmen die Infrastrukturbenutzungsgebühren zahlen, aus der die Erstinvestitionen (Refinanzierung innerhalb von 16 - 18 Jahren) und auch die laufenden Unterhaltskosten erwirtschaftet werden.

Die angrenzenden Gemeinden sind lediglich für einen kleinen Teil der Kosten für Bahnübergänge zuständig (1/3 der Restkosten, nach 60%iger Förderung der Gesamtkosten durch die Regierung von Unterfranken). Die Kosten für die Strecke, für Haltepunkte usw.  trägt das Infrastrukturbetriebs-unternehmen. Der Vorteil für den Landkreis: Bei beauftragten Buslinien trägt der Landkreis die Defizite. Bei der Bahnstrecke werden die Defizite durch die staatliche Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) übernommen. Somit spart der Landkreis Geld, was wiederum die Gemeinden über die Kreisumlage entlastet.

Infrastruktur spielt für die Entwicklung einer Region eine entscheidende Rolle. Dabei wird der Schienenverkehr angesichts des ständig wachsenden PKW- und LKW-Verkehrs auf den Straßen eine größere Rolle spielen. Es wäre deshalb grob fahrlässig, eine bestehende Infrastruktur zu zerschlagen, statt sie für einen modernen ÖPNV zu nutzen. Reaktivierung von Bahnstrecken mit modernen Fahrzeugen, sicherer Leittechnik, klimatisierten Fahrzeugen usw. ist ein Erfolgsmodell. Die Fahrgastzahlen steigen im Vergleich zu Buslinien deutlich. Moderne Fahrzeuge sind sehr leise und erzeugen nur einen geringen Schadstoffausstoß. Auch Güterverkehre, zum Beispiel die neuen Verkehre von Schaeffler-Werk in Schweinfurt zum neuen Logistikzentrum in Kitzingen, könnten auf die Schiene verlagert werden und damit die überlastete B286 und die Staatstrasse Unterspiesheim-Kolitzheim-Gaibach-Volkach-Kitzingen entlasten.

Als Gemeinde jetzt vorzupreschen und zum aktuellen Zeitpunkt eine schnellstmögliche entgültige Streckenstilllegung zu fordern, halten wir für kontraproduktiv. Wäre der politische Wille von Seiten der Gemeinden, des Landkreises und der Stadt da, könnte die Steigerwaldbahn reaktiviert und modernisiert werden. Zahlreiche Praxisbeispiele – auch in Bayern – zeigen, dass eine erfolgreiche Revitalisierung von Bahnstrecken selbst nach jahrzehntelangem Stillstand möglich ist.

Mag sein, dass eine Wiederbelebung der Bahnstrecke Anwohner in Gleisnähe nicht unbedingt erfreuen würde und manche gemeindliche Flächennutzungsplanung durch die Berücksichtigung der Bahntrasse komplizierter würde. Doch angesichts des Klimawandels, der steigenden Verkehrsaufkommen und Benzinpreise oder drohender Fahrverboten wegen Schadstoffausstoß stellt die Revitalisierung der Bahnstrecke eine echte Chance dar. Zudem entdecken immer mehr (junge) Menschen für sich Alternativen zum Autofahren und nutzen diese auch.

Wer argumentiert, die Bahnstrecke zerteile unseren Ort, dem sei gesagt: Auch die Gerolzhöfer-Straße oder die Schwebheimer-Straße zerteilt unseren Ort. Doch angesichts der Vorteile, die diese Straßen bieten und angesichts der Verbindungen, die mit diesen Straßen hergestellt werden, käme keiner auf die Idee, den Straßenrückbau zu fordern.

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