Katastrophenschutzmaßnahmen und Verteilung von Jodtabletten in Bayern zur Prophylaxe bei unfallbedingten Emissionen von radioaktiver Strahlung

In 2004 und 2005 haben wir zu diesem Thema näher recherchiert und uns mit Fragen sowohl an die Gemeinde Sennfeld, das Landratsamt Schweinfurt, das Bayerische Innenministerium, das Bundesumweltministerium und die Sennfelder Apotheke gewandt. Im Archiv haben wir  unter dem Stichwort "Atomenergie" unsere Schreiben und sowie die Antwortschreiben veröffentlicht.

Auf dem Hintergrund der Ereignisse in Fukushima haben unsere Fragen aus 2004 und 2005 leider wieder an Aktualität gewonnen. Ein atomarer Unfall ist auch bei uns nicht auszuschließen. Deshalb möchten wir an dieser Stelle noch einmal einige Ergebnisse unserer alten Recherche vorstellen und unsere damals formulierten Forderungen erneuern. Insgesamt sind aus unserer Sicht die bestehenden Katastrophenschutzmaßnahmen völlig unzureichend und die Verteilung der Jodtabletten wird sich im Ernstfall sicherlich nicht so umsetzen lassen, wie dies von den Behörden angedacht ist.  Nur durch das Abschalten der Atomanlagen kann ein umfassender Katastrohenschutz erreicht werden!

 

 

Einige Ergebnisse aus unserer Recherche aus den Jahren 2004 und 2005:  

 

Antworten aus dem Bundesumweltministerium:

Grundlagen für die allgemeinen Katastrophenschutzmaßnahmen sind:

1.      Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen, die von Bund und Ländern gemeinsam erarbeitet wurden, stellen die Basis für besondere anlagenbezogene Einsatzplanungen der Katastrophenschutzbehörden dar.

2.      Gesetze der Länder, in der Regel die Katastrophenschutzgesetze, konkretisieren die Rahmenempfehlungen.

3.      Strahlenschutzverordnungen/Schutzpläne werden von den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden aufgestellt. Es muss laut BMUsichergestellt werden, dass „in geeigneter Weise und unaufgefordert mindestens alle fünf Jahre über die Sicherheitsmaßnahmen und das richtige Verhalten bei solchen Ereignissen informiert wird“. Dem folgend geben die Kernkraftwerksbetreiber in Abstimmung mit den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden eine Broschüre heraus, die im 10 km-Umkreis an alle Haushalte verschickt wird.

Oberste Katastrophenschutzbehörden sind die Innenministerien der Länder. Diese entscheiden auch über die Umsetzung der Empfehlungen. Bei uns in der Region ist die Regierung von Unterfranken die zuständige Katastrophenschutzbehörde.

Katastrophenschutzmaßnahmen beinhalten u.a. die Warnung und Unterrichtung der Bevölkerung und die Sofortmaßnahmen zu ihrem Schutz.

Jodblockade ist eine der möglichen Notfallschutzmaßnahmen. Basis für das Konzept zur Jodblockade und die Beschaffung der Tabletten sind die Empfehlungen und Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission (SSK). Die Empfehlung sieht im 25 km-Radius eine Vorverteilung an die Haushalte oder die dezentrale Zwischenlagerung. Laut Bundesumweltministerium erfolgt in den meisten Bundesländern eine Vorverteilung an die Haushalte im 5 km oder 10 km-Radius.

Die SSK gibt Empfehlung zur Jodblockade, sog. „Jodmerkblätter“ heraus. Diese beinhalten einmal ein Merkblatt für Ärzte und ein Merkblatt für die Bevölkerung. In diesem stehen die wichtigsten allgemeinen Informationen, was eine Jodblockade ist, warum und wann sie nötig ist, sowie konkrete Angaben über Anwendung und Dosierung.  

 

Information aus dem Landratsamt Schweinfurt:

 „Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei Maßnahmen des Katastrophenschutzes und insofern auch bei der Verteilung der Jodtabletten um staatliche Aufgaben handelt und eine Zuständigkeit der Gemeinde Sennfeld nicht gegeben ist. Ein Gemeinderatsbeschluss über die vorzeitige Ausgabe von Jodtabletten wäre daher rechtswidrig und müsste durch den Bürgermeister beanstandet werden.“ (Herr Nusser, Landratsamt Schweinfurt)

 

Unsere Fragen und die Antworten des Bayerischen Innenministeriums:

Frage: Kann einer Gemeinde in Bayern untersagt werden, eine Vorverteilung vorzunehmen, wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
Antwort: „Für eine derartige Untersagung ist keine Rechtsgrundlage vorhanden. Die eigenständige Vorverteilung ...stellt keine Maßnahme im Sinne des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes dar.

Frage: Wie stellt die Staatsregierung im Ernstfall die Verteilung der Jodtabletten sicher, obwohl Bürgermeister AKW-naher Gemeinden Zweifel darüber hegen, ob Gemeindeangestellte im Ernstfall einer entsprechenden Dienstanweisung nachkämen?
Antwort: „....Ist Apothekenpersonal – während der Geschäftszeit – anwesend bzw. konnte dieses außerhalb der Geschäftszeiten erreicht werden, verteilt das Apothekenpersonal die Tabletten in den Apotheken. Ist Apothekenpersonal nicht anwesend, erfolgt die Verteilung durch die Feuerwehren vor den Apotheken“.„Der Einsatz von Personal der betroffenen Gemeinden ist nicht beabsichtigt.“

Frage: „Sind in Bayern die Apotheken in die Katastrophenschutzmaßnahmen und -pläne mit einbezogen und wie erklärt sich die Staatsregierung die Tatsache, dass offenbar nicht alle Apotheken über die Maßnahmen im Ernstfall informiert sind?“
Antwort: „Die Apotheken in Bayern werden – soweit betroffen – in die entsprechenden Katastrophenschutzplanungen einbezogen. Da diese Planungen jedoch noch nicht vollständig abgeschlossen sind, sind auch noch nicht alle Apotheken entsprechend informiert. Es ist jedoch beabsichtigt, die Apotheken (auch über die Bayerische Landesapothekenkammer) anhand eines Merkblattes zu informieren.“

Frage: „Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass im Ernstfall die Ausgabe der Jodtabletten nur an Personen unter 45 Jahren erfolgt?“
Antwort: „Die Abgabe der Tabletten von der Vorlage eines Personalausweises oder anderer amtlicher Dokumente abhängig zu machen, ist nicht beabsichtigt, da dies nicht durchführbar wäre. Denn auch Personen über 45 Jahre können die Tabletten für ihre Familienangehörigen abholen.“

Frage: „Sind die Gemeinden verpflich-tet, sog. Jodmerkblätter im Vorfeld eines Reaktorunfalls an die Haushalte zu verteilen?“
Antwort: „Eine solche Verpflichtung besteht nicht“            

Frage: „Haben bereits Katastrophenschutzübungen unter realistischen Bedingungen mit Bevölkerungsbeteiligung stattgefunden, die auch die Tablettenverteilung beinhalteten?
Antwort: „Derartige Übungen haben noch nicht stattgefunden“.

 

Information aus der Sennfelder Apotheke: 

Dem Apotheker liegen keine Informationen zur Jodtablettenverteilung vor.

 

Unsere Forderungen: 

  • Vorverteilung der Tabletten an die Haushalte
  • Vorverteilung der Jodmerkblätter incl. Produktinformation und Nebenwirkungen
  • Katastrophenschutzübungen unter realistische Bedingungen
  • Abstimmung aller Maßnahmen mit allen Beteiligten (Apotheken, Gemeinden, Feuerwehren, Landratsämtern, E.ON, ....)
  • Umgehende Informierung der Apotheker

 

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