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Presseartikel im Schweinfurter Tagblatt, erschienen am 11.3.2013

von Susanne Wiedemann

 

Einmischen und nie aufgeben

Frauenwoche: Ein Gespräch mit Claudia Roth über Politik, Einmischen und Eigensinn

 

"Ich will ich sein." Das zu sagen und zu wollen, ist eine Sache. Fordert es doch den Mut und die Energie, nicht immer das zu tun, was die anderen von einem wollen. Was vielleicht geschickter wäre in manchen Situationen. Was einen sympatischer erscheinen lassen würde, was für viele der leichtere Wege wäre. Und es ist die andere Sache, es durchzuziehen: authentisch sein und bleiben.

Der Satz, den Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Frauenwochen sagt, ist so was wie ihr Lebensmotto. Und die Erklärung dafür, warum sie viele Menschen bewundern und warum sie vielen auf den Sack geht. "Die Claudi nervt." Ein Etikett, das an ihr klebt. Ein anderes ist ihr Kleidungsstil,die Leidenschaft, mit der sie diskutiert. Männer werfen ihr gerne vor, dann eine schrille Stimme zu bekommen. Männer, Parteikollegen, haben ihr auch mal nahegelegt, sich ein bisschen staatstragender anzuziehen, als die Grünen angekommen waren in der Macht.

Das hat sie nicht getan. "Ich ziehe an, was mir gefällt." Warum Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, oft auf ihr Ausshen reduziert werden, ist auch ihr ein Rätsel. "Über die schlechten Anzüge der Kollegen regt sich doch auch keiner auf." Aber ihre Klamotten und die Frisur von Angela Merkel sind Teil der politischen Auseinandersetzung.

Um das Thema Frauen in der Politik geht es bei der Veranstatung von Gleichstellungstelle und Grünen, in der Musikschule, moderiert von Katharina Winterhalter, Journalistin beim Tagblatt/Volkszeitung, eingeleitet von Kreisrätin Birgid Röder, begleitet von Pianistin Eva Tilly. Verfolgt von mehr Frauen als von Männern.

Es geht auch schnell um das Verhältnis von Männern und Frauen. Die Frage, ob wir eine Quote brauchen - Ja, sagt Claudia Roth. Im Grund geht es aber um den Weg einer Frau in die Politik, um die Opfer, die sie gebracht hat. Und den Mut, den sie anderen machen kann.

Politisch sein, heißt nicht nur, sich in einer Partei zu engagieren. Politisch sein, heißt, seine Meinung zu sagen, sich einzumischen. Claudia Roth hat das früh gemacht, schon als Klassensprecherin. Ungerechtigkeit hat sie nie ertragen. Das hat sie von ihrer Oma gelernt, die ein sehr wichtiger Mensch in ihrem Leben war. "Claudi, wie kann´s mir gut gehen, wenns dem Nachbarn schlecht geht", hat sie oft gesagt.

Die Oma war gläubig, katholisch. Trotzdem hat sie ihren Segen gegeben, als ihre Enkelin aus der Kirche austreten wollte, weil sie mit der Ungerechtigkeit und Verlogenheit nicht mehr klargekommen ist. Die Oma hat aihre Gründe verstanden, und Johannes Paul II. war ihr sowieso suspekt, weil er immer so theatralisch gebetet hat, mit den Händen vor den Augen.

Kinder und eine politische Karriere haben. Das war in den Neunzigern schwierig, erinnert sich Claudia Roth. Sie hat verzichtet. Für ihre französischen Kolleginnen im Europarlament war es kein Problem, Familie und Job unter einen Hut zu kriegen, erinnert sie sich. Deswegen kämpft sie dafür, dass es Strukturen gibt, mit denen sich Arbeit und Familie vereinbaren lassen. Dass die Arbeitszeiten familienfreundlich sind, dass Männer nicht ausgelacht werden, wenn sie sich mehr um die Kinder als um die Karriere kümmern wollen.

Ganz wichtig für sie ist auch: Eine Garantie, von Teilzeit wieder auf Vollzeit umsteigen zu können. Und eine Garantie-Rente (850 €), egal, ob jemand Voll- oder Teilzeit gearbeitet hat. Denn Altersarmut trifft vor allem Frauen.

Wie das so ist mit guten Gesprächen. Es entwickelt sich eine eigene Dynamik, Themen fließen ineinander, neue entwickeln sich. Es geht im Gespräch und bei den Publikumsfragen um Sexismus, Herrenwitze, Respektlosigkeit, Benachteiligung. Es geht darum, nicht aufzugeben. Claudia Roth sagt schöne Sachen wie "Demokratie heißt, du kannst auch verlieren". Sie ist sehr offen, auch wenn´s um Privates geht. Eine Partnerschaft ist zerbrochen, weil der Mann nicht damit klar gekommen ist, in ihrem Schatten zu stehen. Auch so ein Problem, das Männer umgekehrt nicht haben. Wenn sie Familie und den Mörder-Job haben wollen, dann kriegen sie das auch. Sie haben ja ihre Frau.

Frauen haben es schwerer, wenn sie aufsteigen, sagt sie. "Du musst es immer wieder beweisen, dass du es genauso gut kannst, du bist anderen Angriffen ausgesetzt." Und wenn Frauen sagen "ich will ich sein" macht es das nicht einfacher. Aber sie versuchen es zumindest.

Das mag ein Grund sein, warum sich Männerrunden ändern und ändern müssen, wenn plötzlich eine Frau dabei sitzt. So gesehen: "Claudi nervt" ist als Auszeichnung zu sehen."

 

Fotos von Rita Weber und Gudrun Lux:

 

 

 



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